Wie werde ich kreativ?
Vor einiger Zeit wurde ich in einer wirklich netten Nachricht gefragt, ob es eine Möglichkeit gibt, seine Kreativität gezielt zu „schulen“. Ich habe eine ganze Zeit lang darüber nachgedacht und mir den sehr langen und äußerst theoretischen Wikipedia-Artikel dazu zu Gemüte geführt. Die Antwort auf die Frage lautet: Jein!
Was ist Kreativität?
Um herauszufinden, was man für seine eigene Kreativität tun kann, ist es wichtig, erst einmal zu verstehen, was der Begriff genau bedeutet und was Personen ausmacht, denen diese Eigenschaft zugeschrieben wird. Laut Wikipedia-Definition ist Kreativität „die Eigenschaft eines Menschen, schöpferisch oder gestalterisch tätig zu sein“ sowie „die Fähigkeit, etwas zu erschaffen, was neu oder originell und dabei nützlich oder brauchbar ist.“
Ob kreative Fotografie, Malerei usw. nun wirklich nützlich und brauchbar sind, darüber kann man sicherlich streiten. Doch in der Definition steckt definitiv etwas Wahres. Dass kreative Menschen häufig auch schöpferisch-gestalterisch tätig sind, wissen wir wohl alle. Doch was genau unterschiedet den Kreativen von dem weniger Kreativen? Was tut der kreative Künstler, was der weniger Kreative nicht kann? Es ist die Tatsache, dass er Menschen immer wieder zum Staunen bringt. Dass er etwas erschafft, was der Betrachter bislang so noch nicht gesehen oder für möglich gehalten hat.
Entsprechende Reaktionen erleben Daniel und ich häufig, wenn Menschen unsere ICM-Bilder anschauen. Viele können nicht glauben, dass sie ganz ohne Photoshop entstanden sind. Auch auf meine Serie „Libellenliebe“ habe ich ähnliche Reaktionen bekommen – genau wie Daniel, der von den gleichen Tieren ganz andere, fantastische Aufnahmen machen konnte. (Eine davon findet ihr auf seiner Homepage: www.db-fotografie.de) Aber wie haben wir das geschafft? Wie haben wir die Menschen zum Staunen gebracht?
Wie wird man kreativ?
Nach der oben beschriebenen Definition klingt es ganz einfach. Dann gehe ich jetzt halt raus und mache ein Foto, das so noch nicht da war. Und dann stehst du draußen und hast keine Ahnung, was du da eigentlich vorhast. Denn kreativ ist man nicht auf Knopfdruck – leider. Das merke ich oft genug, wenn ich vor einer wunderbaren Szenerie stehe (Heidefläche im Nebel! Wasservögel im goldenen Morgenlicht!) und absolut keine Ahnung habe, was ich außer dokumentarischen Fotos dort anstellen könnte. Wie mich das wütend machen kann!
Doch woher kommt das? Im Nachhinein stelle ich immer wieder fest, dass ich wohl gerade bei den besten Bedingungen am unkreativsten bin. Ich denke, das liegt daran, dass ich mir selbst Druck mache: „Hey, da draußen vor deiner Nase sind die geilsten Bedingungen! Mach was draus! Los!“ Das funktioniert logischerweise nicht. Gehe ich aber an einem völlig trüben Regentag durch den Wald, stehe ich in der blauen Stunde an einem Feldrand oder am Gewässer, passieren die Bilder wie von selbst. Ohne nachzudenken fotografiere ich hier und da und dort. Und zu Hause am Rechner entdecke ich dann oft das eine oder andere Bild, mit dem ich wirklich zufrieden bin.
Weitere Faktoren
Kreativität kommt also von selbst, wenn die Bedingungen stimmen. Druck ist ein absoluter Kreativitätskiller! Neben der Abwesenheit von Druck kommt es aber noch auf ganz persönliche Eigenschaften an. Jemand, der kreativ arbeitet, ist oft beharrlich. Ohne sich Druck auszusetzen, versucht er immer wieder, zu einer Lösung zu kommen – oder, auf die Fotografie bezogen – zu einem Bild zu gelangen, das zufriedenstellend ist. Außerdem besitzt ein solcher Mensch eine gewisse Spontaneität, um flexibel auf sich verändernde Situationen reagieren zu können. Dieser Punkt ist aber sicherlich auch an die Erfahrung gekoppelt, die sich auf ein wachsendes Repertoire an Bildideen stützt.
Zwei ganz, ganz wichtige Punkte, die der Kreativität zuträglich sind, folgen nun: Neugier und intrinsische Motivation. Neugier ist unerlässlich! Geht in die Natur, interessiert euch! Beobachtet! Und auch: Schaut, was andere Fotografen um euch herum machen, findet heraus, was euch an deren Bildern gut gefällt (und was nicht), versucht zu verstehen, was euch ganz persönlich anspricht an diesem oder jenem Stil. Euch ganz persönlich! Es ist nicht wichtig, ob ein Stil gerade angesagt ist oder ob irgendwelche Instagram-Stars diese Techniken anwenden. Wer nur danach geht, wird niemals seinen eigenen Stil finden und kaum Bilder machen, die ihn zufrieden stellen und andere begeistern, weil er nur abkupfert.
Intrinsische Motivation ist das Zauberwort. Die Motivation, diese oder jene Technik zu probieren, muss aus euch selber kommen. Weil IHR sie gut findet. Weil EUCH die Bilder ansprechen. Weil IHR neugierig seid. Und seid sicher: Eure ersten Ergebnisse mit einer fremden Technik werden von eurem Umfeld vermutlich nicht verstanden. Vielleicht, weil ihr noch üben müsst, die Technik umzusetzen. Vielleicht aber auch, weil der Betrachter noch üben muss, das Bild zu verstehen. Doch gib deswegen nicht auf! Da sind wir wieder bei Beharrlichkeit: Bleib dran!
Fazit
Ihr werdet es gemerkt haben: Es kommt auch auf die persönlichen Voraussetzungen an, die jeder einzelne Mensch mitbringt. Dennoch: Wenn ihr am Ball bleibt, euch keinen Druck macht, euch in der Natur treiben lasst und neugierig bleibt, sind das die besten Bedingungen für kreatives Schaffen. Schaut über den Tellerrand, aber bleibt dabei auch ganz bewusst bei euch selbst. Setzt euch mal eine Weile in den Wald, achtet auf die Kleinigkeiten. Macht euch bewusst, was euch an der einen oder anderen Szene gefällt. Fragt euch, ob die äußeren Bedingungen passend sind (Licht, Jahreszeit…). Kommt immer wieder. Ihr werdet staunen, was ihr alles schaffen könnt!
Ich bin neugierig auf eure Erlebnisse und Ergebnisse! Schreibt mir gern einen Kommentar oder eine E-Mail (info@christine-averberg.de).
Wenn du möchtest, können Daniel und ich dich auf diesem Weg unterstützen. Ganz neu gibt es nun bei uns die Möglichkeit zu einer Bildbesprechung. Schau doch einfach mal rein, vielleicht ist es was für dich!
Ich freue mich von euch zu hören!
Eure Christine
Petra
1. November 2022at18:19Wieder sehr gut geschrieben und dem Satz “Druck ist ein Kreativitätskiller” kann man nur zustimmen.
Freue mich auf die nächsten Artikel.
liebe Grüsse, Petra
Christine Averberg
2. November 2022at8:01Vielen Dank, Petra!